FAQ zum Thema Linux und Musikproduktion
- Marcel
- Juli 11, 2025
- Welche VST-Formate gibt es nativ unter Linux? Linux unterstützt sowohl klassische Formate wie LV2 und das ältere LADSPA, aber auch immer mehr VST-Plugins. Es gibt viele nativ Linux-kompilierte VSTs – z. B. den Vital-Synthesizer, den Sampler DecentSampler oder das Drum-Modul Sitala. Diese sind kostenlos und leistungsfähig. Moderne Plugins bieten oft VST3-Unterstützung unter Linux, und dank Engine-Ähnlichkeiten zu macOS ist die Performance in der Regel sehr gut.
- Wie installiere ich native Plugins? Ganz normal über den Paketmanager der Distribution: Unter Debian/Ubuntu etwa
sudo apt install pluginname
, unter Arch mitpacman -S
oder einem AUR-Helper (z. B.yay -S guitarix.vst
). Standardmäßig landen VST- und LV2-Dateien in Systempfaden wie/usr/lib/vst3/
oder/usr/lib/lv2/
. Außerdem nutzen viele DAWs Nutzerverzeichnisse: So liegen eigene VSTs oft in~/.vst/
oder~/.vst3/
. In Reaper und anderen DAWs kann man in den Einstellungen weitere Pfade (z.B.~/.vst3/
) hinzufügen. (Im Screenshot sieht man etwa ein Linux-Home-Verzeichnis mit.vst
– und.vst3
-Ordnern.) - Wie finde ich installierte Plugins? In Reaper und ähnlichen DAWs kann man unter Options → Preferences → VST die Suchpfade einsehen. Übliche Orte sind z. B.
/usr/lib/vst3/
,/usr/local/lib/vst3/
oder eben~/.vst3/
. Tools wie Carla zeigen beim Scannen diese Pfade. Wenn ein Plugin nicht erkannt wird, sollten Sie dessen.vst3
-Ordner oder.clap
-Datei in das~/.vst3/
-Verzeichnis kopieren. (Im Screenshot erkennt man etwa das Verzeichnis~/username/.vst3/DragonflyHallReverb.vst3
.) - Wie nutze ich Windows-VSTs unter Linux (Carla, Airwave, Wine, Yabridge)? Da viele kommerzielle Plugins nur für Windows verfügbar sind, nutzt man unter Linux Helferprogramme:
- Wine: Zunächst installiert man Wine, die Windows-Kompatibilitätsschicht („Wine ist dein Freund“). Unter Ubuntu z. B. mit
sudo apt install wine
. Damit lassen sich Windows-Installer (z.B.wine setup.exe
) ausführen und VST-Dateien (.dll) erhalten. - Carla (KXStudio): Carla ist ein Plugin-Host, der selbst als Plugin in DAWs geladen wird. In Carla kann man dann Windows-VSTs laden. Der Autor Marcel Schindler beschreibt: „Carla […] ermöglicht, viele Windows-VST-Plugins zu installieren“. Man installiert Carla etwa über die KXStudio-Repos oder den Paketmanager. In der Carla-GUI fügt man unter „Add Plugin“ das entsprechende
.dll
hinzu. Carla übernimmt dabei die Einbindung der VSTs in den Linux-Audio-Server (meist JACK). - Airwave: Airwave ist eine vereinfachte Brücke, die einem VST eine
.vst
-Datei unter Linux vorgaukelt. Man installiert das Windows-Plugin per Wine (z. B.wine setup.exe
), kopiert dann die gefundene.dll
und fügt sie in Airwave hinzu. Im Zielordner gibt man z. B.~/.vst/
an. Airwave „verpackt die DLL in einen eigenen Wrapper und man kann als Zielordner ~/.vst angeben, um das Plugin der DAW zur Verfügung zu stellen. Das läuft ziemlich stabil und auch Plugins wie Serum funktionieren sehr gut in Airwave“. - Yabridge: Yabridge ist eine moderne Brücke für Windows-VSTs (inkl. VST2, VST3 und CLAP). Laut Trancefish der „einfachste Weg, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Man installiert yabridge (z. B. via DEB oder AUR) und führt folgende Schritte aus: Plugin normal per Wine installieren (
wine setup.exe
), dann in dessen Installationsordner (z. B.~/.wine/drive_c/Programme/Common Files/VST3
) per Terminalyabridgectl sync ./
ausführen. Yabridge legt dann in~/.vst/
eine Windows-Brücke an, so dass die DAW das Plugin direkt nutzen kann. In den eigenen Worten des Autors: „Yabridge ist mit Abstand die einfachste Art, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Auf GitHub gibt es eine ausführliche Dokumentation (robbert-vdh/yabridge) zum Installieren und Syncen. - GUI-Probleme: Manche Windows-VSTs starten zwar, zeigen aber keine GUI. Hier hilft Wine-Konfiguration: Mit
winecfg
eine virtuelle Desktop-Auflösung einstellen. Marcel schreibt: „starte winecfg und stelle ein, dass Wine einen virtuellen Desktop benutzen soll. Stelle dort auch deine normale Bildschirmauflösung ein und zack, ist der Mauspfeil da, wo er hingehört“.
- Wine: Zunächst installiert man Wine, die Windows-Kompatibilitätsschicht („Wine ist dein Freund“). Unter Ubuntu z. B. mit
Screenshot: In Reaper kann man unter Preferences → Plug-ins → VST die Suchpfade für Windows-VSTs einstellen (z.B. ~/.vst
, ~/.vst3
). Trancefish-FAQ-Artikel erläutert auch die .vst(~/.vst)-Brücke.
CLAP-Pluginstandard
- Was ist CLAP? CLAP (CLever Audio Plug-in API) ist ein neuer, offener Plug-in-Standard, entwickelt von Bitwig und u-he. Er ist quelloffen (MIT-Lizenz) und bietet moderne Features für Audio-Plugins. Wichtige Vorteile sind Multi-Core-Unterstützung und moderne Automations-/Modulationsmodelle (z. B. Per-Voice-Parameter), was in älteren Standards wie VST3 fehlt. Bitwig und u-he beschreiben CLAP als „neuen offenen Standard“ mit „innat verbesserter Stabilität“ für Entwickler. CLAP wurde speziell für moderne Computer und DAW-Konzepte designt und lässt sich sehr effizient implementieren.
- Wer unterstützt CLAP unter Linux? Bisher unterstützen vor allem moderne DAWs und Plugins CLAP. Unter Linux gibt es Bitwig Studio (aktuelle Versionen) mit CLAP-Unterstützung, und Reaper hat seit Version 6.81 (auch für Linux) CLAP eingebaut. Die Open-Source-Synths von u-he (Diva, Zebra2 etc.) und der freie Synth Surge bieten CLAP-Versionen an. Ein Anlaufpunkt ist auch die clapdb.tech von Martin Diers, eine Datenbank aller verfügbaren CLAP-Plugins und Hosts. Kurz gesagt: Immer mehr Plugins erscheinen neben VST3 auch als CLAP. Für Linux-Nutzer bedeutet das, dass man künftig viele neue Plugins nativ nutzen kann. Marcel Schindler kommentiert im Forum, dass „CLAP gerade für Linuxer wahnsinnig spannend“ ist – da CLAP-Plugins einfach über
~/.clap/
kopiert werden können. - Wie installiere ich CLAP-Plugins? CLAP-Plugins sind meist Einzeldateien mit der Endung
.clap
. Man legt diese entweder ins entsprechende DAW-Plugin-Verzeichnis (z.B. einclap/
-Unterordner im DAW-Pluginpfad) oder man setzt sie in~/.clap/
(sofern die DAW dies unterstützt). Viele CLAP-Hosts scannen denselben Ordner wie VST3 oder einen~/.clap
-Ordner. Da CLAP noch jung ist, lohnt sich ein Blick in die offizielle CLAP-Datenbank oder das jeweiligen Plugin-Installationspaket. Auf Kommandozeile kann man auch CLAP-Plugins über Paketmanager installieren, wenn sie als.deb
/.rpm
vorliegen. Insgesamt ist CLAP aber weitgehend Plug-and-Play: CLAP-Datei kopieren und DAW neu starten. Tools wie Carla und Yabridge können inzwischen auch CLAP-Plugins laden – Yabridge unterstützt explizit „Windows VST2, VST3 und CLAP auf Linux“.
Beispiel: Der Open-Source-Synth Dragonfly Reverb enthält neben der VST3-Version auch ein .clap
-Plugin. Unter Linux kann man einfach DragonflyHallReverb.clap
ins CLAP-Plugin-Verzeichnis kopieren (siehe Bild). CLAP-Plugins werden wie hier gezeigt als einzelne Datei ohne Unterordner installiert (Quelle: offizielle Plugin-Distribution).
Windows-VST-Integration (Wine & Yabridge)
- Was ist Wine und wie setze ich es ein? Wine (Wine Is Not an Emulator) simuliert Windows-APIs auf Linux. Wie oben beschrieben ist Wine die Basis für alle Windows-VSTs: Man installiert mit
sudo apt install wine
die Distribution-Version von Wine. Dann kann man Windows-Installer und Setup-Programme ausführen. Wine legt dabei ein Verzeichnis~/.wine/
an, in dem Programme genauso landen wie inC:\Program Files
unter Windows. Dieser Ordner enthält auch die VST-DLLs. Wichtig ist, Wine-Konfig (winecfg) ggf. anzupassen (siehe GUI-Probleme oben). - Was ist Yabridge genau? Yabridge ist ein Übersetzungswerkzeug für VST3 (und VST2/CLAP). Es erstellt eine native Linux-Brücke zu einem per Wine installierten Plugin. Praktisch arbeitet man so: man installiert das Windows-VST per Wine, dann navigiert man ins Plugin-Verzeichnis von Wine und führt
yabridgectl sync ./
aus. Yabridge legt daraufhin in~/.vst/
(bzw.~/.vst3/
) einen kleinen Wrapper an, den die DAW wie ein normales Linux-VST nutzen kann. Laut Trancefish ist dies derzeit „mit Abstand die einfachste Art, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Die Projektseite auf GitHub beschreibt alle Schritte (Repository: robbert-vdh/yabridge). - Zusätzliche Tools: Neben Wine und Yabridge sind Carla und Airwave erwähnenswert (s. oben). Carla ist vor allem nützlich, um viele Windows-VSTs direkt in einem Raster zu hosten; Airwave ermöglicht eine simple Einbindung einzelner DLLs. Für jeden Plugin-Typ (DLL oder .vst3) gibt es unter den Linux-Audio-Tools eine entsprechende Lösung. Marcel Schindler verweist zudem auf KXStudio, da KXStudio-Pakete (wie Carla und Cadence) das Setup stark vereinfachen.
Latenzoptimierung & Analyse
- Wie erreiche ich geringe Latenzen unter Linux? Linux ist von Haus aus sehr performant, aber man muss das System für Echtzeit-Audio optimieren. Wichtig ist zunächst, einen Low-Latency- oder Echtzeit-Kernel zu benutzen (viele Distributionen wie Ubuntu Studio oder Fedora Jam liefern dies standardmäßig). Weiterhin setzt man typischerweise den CPU-Frequenz-Governor auf performance statt powersave, damit die CPU bei Audioarbeit nicht erst hochfahren muss. Außerdem richtet man ein „Realtime“-Profil ein: Das bedeutet, man erstellt eine audio- oder realtime-Gruppe und erlaubt dieser über
/etc/security/limits.conf
höhere Scheduling-Prioritäten und geblockten Speicher (RLIMIT_MEMLOCK). Einige Distros haben dafür Pakete (wierealtime-setup
auf Fedora), die eine „realtime“-Gruppe anlegen und die nötigen Limits setzen. Dadurch kann PipeWire bzw. JACK die Audio-Threads mit Echtzeit-Priority starten. - JACK vs. PipeWire: Klassisch nutzt man JACK (
qjackctl
,cadence
etc.) für geringe Puffer (z.B. 128 oder 256 Frames bei 48 kHz). Jack ist in der Szene bekannt dafür, sehr niedrige Latenzen zu erlauben – wie Marcel schreibt: „Jack ist für Linux im Grunde das, was ASIO für Windows ist. Nur besser.“. Man installiert z. B.qjackctl
und evtl.cadence
(beide über KXStudio-Paketquellen), um Jack zu konfigurieren. Neuere Systeme setzen auf PipeWire, das JACK-kompatibel ist, aber auch PulseAudio/ALSA-Anwendungen vereint. PipeWire wurde explizit für minimale Latenz entwickelt. In aktuellen Distributionen kann man mit Paketen wiepipewire-jack
(unter Debians/Arch alspipewire-jack-audio-connection-kit
) JACK-Programme weiterbetreiben. Die Standard-Buffergröße („quantum“) von PipeWire lässt sich in~/.config/pipewire/pipewire.conf
verringern. - Analyse-Tools: Um Latenzprobleme zu erkennen, helfen Tools wie
pw-top
(Teil von PipeWire) oder JACKsjack_iodelay
. Mitpw-top
erhält man eine Echtzeit-Übersicht über das Audiograph-System. Die Spalte „ERR“ zählt dabei XRuns – das sind verfehlte Audio-Deadlines, also Aussetzer während der Wiedergabe. Die Spalte „W/Q“ (Wait/Quantum-Verhältnis) zeigt die Auslastung der Audioprozessierung: Ein hoher Wert weist auf nahe Auslastung hin. Tritt also ein XRun auf, muss man Puffer vergrößern oder die CPU entlasten. - Zusammenfassung: Eine typische Optimierung ist also: Echtzeit-Kernel + CPU in Performance-Modus + Audio-Gruppe mit Echtzeit-Rights + JACK/PipeWire mit kleinen Puffergrößen. Trancefish empfiehlt KXStudio-Tools (Cadence) zur Konfiguration. In den Worten von Marcel: „Ohne Jack ist die Latenz kriminell langsam. Mit Cadence (= Jack unter KXStudio) läuft es aber smooth.“. Auch PipeWire bietet inzwischen alle nötigen Module, um Audio-Threads in Echtzeit zu betreiben (sofern die Limits gesetzt sind). Mit diesen Einstellungen bleiben die Puffer klein und die Latenz minimal.
Analyse-Beispiel mit PipeWire: Das Tool pw-top
zeigt unter anderem die Spalte ERR (gelistet sind hier XRuns, also verfehlte Audio-Deadlines). Ein Wert >0 in ERR deutet auf Unterläufe hin. Außerdem gibt W/Q (Wait/Quantum) Auskunft über die Systemauslastung – je näher der Wert an 1.0 kommt, desto höher die Last.
Weiterführende Links: KXStudio (Carla/Cadence), Yabridge GitHub, PipeWire Docs und CLAP-DB bieten detaillierte Anleitungen und aktuelle Informationen.