FAQ zum Thema Linux und Musikproduktion

  • Welche VST-Formate gibt es nativ unter Linux? Linux unterstützt sowohl klassische Formate wie LV2 und das ältere LADSPA, aber auch immer mehr VST-Plugins. Es gibt viele nativ Linux-kompilierte VSTs – z. B. den Vital-Synthesizer, den Sampler DecentSampler oder das Drum-Modul Sitala. Diese sind kostenlos und leistungsfähig. Moderne Plugins bieten oft VST3-Unterstützung unter Linux, und dank Engine-Ähnlichkeiten zu macOS ist die Performance in der Regel sehr gut.
  • Wie installiere ich native Plugins? Ganz normal über den Paketmanager der Distribution: Unter Debian/Ubuntu etwa sudo apt install pluginname, unter Arch mit pacman -S oder einem AUR-Helper (z. B. yay -S guitarix.vst). Standardmäßig landen VST- und LV2-Dateien in Systempfaden wie /usr/lib/vst3/ oder /usr/lib/lv2/. Außerdem nutzen viele DAWs Nutzerverzeichnisse: So liegen eigene VSTs oft in ~/.vst/ oder ~/.vst3/. In Reaper und anderen DAWs kann man in den Einstellungen weitere Pfade (z.B. ~/.vst3/) hinzufügen. (Im Screenshot sieht man etwa ein Linux-Home-Verzeichnis mit .vst– und .vst3-Ordnern.)
  • Wie finde ich installierte Plugins? In Reaper und ähnlichen DAWs kann man unter Options → Preferences → VST die Suchpfade einsehen. Übliche Orte sind z. B. /usr/lib/vst3/, /usr/local/lib/vst3/ oder eben ~/.vst3/. Tools wie Carla zeigen beim Scannen diese Pfade. Wenn ein Plugin nicht erkannt wird, sollten Sie dessen .vst3-Ordner oder .clap-Datei in das ~/.vst3/-Verzeichnis kopieren. (Im Screenshot erkennt man etwa das Verzeichnis ~/username/.vst3/DragonflyHallReverb.vst3.)
  • Wie nutze ich Windows-VSTs unter Linux (Carla, Airwave, Wine, Yabridge)? Da viele kommerzielle Plugins nur für Windows verfügbar sind, nutzt man unter Linux Helferprogramme:
    • Wine: Zunächst installiert man Wine, die Windows-Kompatibilitätsschicht („Wine ist dein Freund“). Unter Ubuntu z. B. mit sudo apt install wine. Damit lassen sich Windows-Installer (z.B. wine setup.exe) ausführen und VST-Dateien (.dll) erhalten.
    • Carla (KXStudio): Carla ist ein Plugin-Host, der selbst als Plugin in DAWs geladen wird. In Carla kann man dann Windows-VSTs laden. Der Autor Marcel Schindler beschreibt: „Carla […] ermöglicht, viele Windows-VST-Plugins zu installieren“. Man installiert Carla etwa über die KXStudio-Repos oder den Paketmanager. In der Carla-GUI fügt man unter „Add Plugin“ das entsprechende .dll hinzu. Carla übernimmt dabei die Einbindung der VSTs in den Linux-Audio-Server (meist JACK).
    • Airwave: Airwave ist eine vereinfachte Brücke, die einem VST eine .vst-Datei unter Linux vorgaukelt. Man installiert das Windows-Plugin per Wine (z. B. wine setup.exe), kopiert dann die gefundene .dll und fügt sie in Airwave hinzu. Im Zielordner gibt man z. B. ~/.vst/ an. Airwave „verpackt die DLL in einen eigenen Wrapper und man kann als Zielordner ~/.vst angeben, um das Plugin der DAW zur Verfügung zu stellen. Das läuft ziemlich stabil und auch Plugins wie Serum funktionieren sehr gut in Airwave“.
    • Yabridge: Yabridge ist eine moderne Brücke für Windows-VSTs (inkl. VST2, VST3 und CLAP). Laut Trancefish der „einfachste Weg, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Man installiert yabridge (z. B. via DEB oder AUR) und führt folgende Schritte aus: Plugin normal per Wine installieren (wine setup.exe), dann in dessen Installationsordner (z. B. ~/.wine/drive_c/Programme/Common Files/VST3) per Terminal yabridgectl sync ./ ausführen. Yabridge legt dann in ~/.vst/ eine Windows-Brücke an, so dass die DAW das Plugin direkt nutzen kann. In den eigenen Worten des Autors: „Yabridge ist mit Abstand die einfachste Art, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Auf GitHub gibt es eine ausführliche Dokumentation (robbert-vdh/yabridge) zum Installieren und Syncen.
    • GUI-Probleme: Manche Windows-VSTs starten zwar, zeigen aber keine GUI. Hier hilft Wine-Konfiguration: Mit winecfg eine virtuelle Desktop-Auflösung einstellen. Marcel schreibt: „starte winecfg und stelle ein, dass Wine einen virtuellen Desktop benutzen soll. Stelle dort auch deine normale Bildschirmauflösung ein und zack, ist der Mauspfeil da, wo er hingehört“.
    Zusammenfassung: Mit diesen Tools lassen sich praktisch alle gängigen Windows-VSTs nach Linux holen. Marcel betont: „Die meisten Tutorials [zum Installieren von Software] richten sich an Debian/Ubuntu. […] Man muss also nicht selbst Programme kompilieren oder sich mit conf-Dateien befassen“.

Screenshot: In Reaper kann man unter Preferences → Plug-ins → VST die Suchpfade für Windows-VSTs einstellen (z.B. ~/.vst, ~/.vst3). Trancefish-FAQ-Artikel erläutert auch die .vst(~/.vst)-Brücke.

CLAP-Pluginstandard

  • Was ist CLAP? CLAP (CLever Audio Plug-in API) ist ein neuer, offener Plug-in-Standard, entwickelt von Bitwig und u-he. Er ist quelloffen (MIT-Lizenz) und bietet moderne Features für Audio-Plugins. Wichtige Vorteile sind Multi-Core-Unterstützung und moderne Automations-/Modulationsmodelle (z. B. Per-Voice-Parameter), was in älteren Standards wie VST3 fehlt. Bitwig und u-he beschreiben CLAP als „neuen offenen Standard“ mit „innat verbesserter Stabilität“ für Entwickler. CLAP wurde speziell für moderne Computer und DAW-Konzepte designt und lässt sich sehr effizient implementieren.
  • Wer unterstützt CLAP unter Linux? Bisher unterstützen vor allem moderne DAWs und Plugins CLAP. Unter Linux gibt es Bitwig Studio (aktuelle Versionen) mit CLAP-Unterstützung, und Reaper hat seit Version 6.81 (auch für Linux) CLAP eingebaut. Die Open-Source-Synths von u-he (Diva, Zebra2 etc.) und der freie Synth Surge bieten CLAP-Versionen an. Ein Anlaufpunkt ist auch die clapdb.tech von Martin Diers, eine Datenbank aller verfügbaren CLAP-Plugins und Hosts. Kurz gesagt: Immer mehr Plugins erscheinen neben VST3 auch als CLAP. Für Linux-Nutzer bedeutet das, dass man künftig viele neue Plugins nativ nutzen kann. Marcel Schindler kommentiert im Forum, dass „CLAP gerade für Linuxer wahnsinnig spannend“ ist – da CLAP-Plugins einfach über ~/.clap/ kopiert werden können.
  • Wie installiere ich CLAP-Plugins? CLAP-Plugins sind meist Einzeldateien mit der Endung .clap. Man legt diese entweder ins entsprechende DAW-Plugin-Verzeichnis (z.B. ein clap/-Unterordner im DAW-Pluginpfad) oder man setzt sie in ~/.clap/ (sofern die DAW dies unterstützt). Viele CLAP-Hosts scannen denselben Ordner wie VST3 oder einen ~/.clap-Ordner. Da CLAP noch jung ist, lohnt sich ein Blick in die offizielle CLAP-Datenbank oder das jeweiligen Plugin-Installationspaket. Auf Kommandozeile kann man auch CLAP-Plugins über Paketmanager installieren, wenn sie als .deb/.rpm vorliegen. Insgesamt ist CLAP aber weitgehend Plug-and-Play: CLAP-Datei kopieren und DAW neu starten. Tools wie Carla und Yabridge können inzwischen auch CLAP-Plugins laden – Yabridge unterstützt explizit „Windows VST2, VST3 und CLAP auf Linux“.

Beispiel: Der Open-Source-Synth Dragonfly Reverb enthält neben der VST3-Version auch ein .clap-Plugin. Unter Linux kann man einfach DragonflyHallReverb.clap ins CLAP-Plugin-Verzeichnis kopieren (siehe Bild). CLAP-Plugins werden wie hier gezeigt als einzelne Datei ohne Unterordner installiert (Quelle: offizielle Plugin-Distribution).

Windows-VST-Integration (Wine & Yabridge)

  • Was ist Wine und wie setze ich es ein? Wine (Wine Is Not an Emulator) simuliert Windows-APIs auf Linux. Wie oben beschrieben ist Wine die Basis für alle Windows-VSTs: Man installiert mit sudo apt install wine die Distribution-Version von Wine. Dann kann man Windows-Installer und Setup-Programme ausführen. Wine legt dabei ein Verzeichnis ~/.wine/ an, in dem Programme genauso landen wie in C:\Program Files unter Windows. Dieser Ordner enthält auch die VST-DLLs. Wichtig ist, Wine-Konfig (winecfg) ggf. anzupassen (siehe GUI-Probleme oben).
  • Was ist Yabridge genau? Yabridge ist ein Übersetzungswerkzeug für VST3 (und VST2/CLAP). Es erstellt eine native Linux-Brücke zu einem per Wine installierten Plugin. Praktisch arbeitet man so: man installiert das Windows-VST per Wine, dann navigiert man ins Plugin-Verzeichnis von Wine und führt yabridgectl sync ./ aus. Yabridge legt daraufhin in ~/.vst/ (bzw. ~/.vst3/) einen kleinen Wrapper an, den die DAW wie ein normales Linux-VST nutzen kann. Laut Trancefish ist dies derzeit „mit Abstand die einfachste Art, VST-Plugins unter Linux zu benutzen“. Die Projektseite auf GitHub beschreibt alle Schritte (Repository: robbert-vdh/yabridge).
  • Zusätzliche Tools: Neben Wine und Yabridge sind Carla und Airwave erwähnenswert (s. oben). Carla ist vor allem nützlich, um viele Windows-VSTs direkt in einem Raster zu hosten; Airwave ermöglicht eine simple Einbindung einzelner DLLs. Für jeden Plugin-Typ (DLL oder .vst3) gibt es unter den Linux-Audio-Tools eine entsprechende Lösung. Marcel Schindler verweist zudem auf KXStudio, da KXStudio-Pakete (wie Carla und Cadence) das Setup stark vereinfachen.

Latenzoptimierung & Analyse

  • Wie erreiche ich geringe Latenzen unter Linux? Linux ist von Haus aus sehr performant, aber man muss das System für Echtzeit-Audio optimieren. Wichtig ist zunächst, einen Low-Latency- oder Echtzeit-Kernel zu benutzen (viele Distributionen wie Ubuntu Studio oder Fedora Jam liefern dies standardmäßig). Weiterhin setzt man typischerweise den CPU-Frequenz-Governor auf performance statt powersave, damit die CPU bei Audioarbeit nicht erst hochfahren muss. Außerdem richtet man ein „Realtime“-Profil ein: Das bedeutet, man erstellt eine audio- oder realtime-Gruppe und erlaubt dieser über /etc/security/limits.conf höhere Scheduling-Prioritäten und geblockten Speicher (RLIMIT_MEMLOCK). Einige Distros haben dafür Pakete (wie realtime-setup auf Fedora), die eine „realtime“-Gruppe anlegen und die nötigen Limits setzen. Dadurch kann PipeWire bzw. JACK die Audio-Threads mit Echtzeit-Priority starten.
  • JACK vs. PipeWire: Klassisch nutzt man JACK (qjackctl, cadence etc.) für geringe Puffer (z.B. 128 oder 256 Frames bei 48 kHz). Jack ist in der Szene bekannt dafür, sehr niedrige Latenzen zu erlauben – wie Marcel schreibt: „Jack ist für Linux im Grunde das, was ASIO für Windows ist. Nur besser.“. Man installiert z. B. qjackctl und evtl. cadence (beide über KXStudio-Paketquellen), um Jack zu konfigurieren. Neuere Systeme setzen auf PipeWire, das JACK-kompatibel ist, aber auch PulseAudio/ALSA-Anwendungen vereint. PipeWire wurde explizit für minimale Latenz entwickelt. In aktuellen Distributionen kann man mit Paketen wie pipewire-jack (unter Debians/Arch als pipewire-jack-audio-connection-kit) JACK-Programme weiterbetreiben. Die Standard-Buffergröße („quantum“) von PipeWire lässt sich in ~/.config/pipewire/pipewire.conf verringern.
  • Analyse-Tools: Um Latenzprobleme zu erkennen, helfen Tools wie pw-top (Teil von PipeWire) oder JACKs jack_iodelay. Mit pw-top erhält man eine Echtzeit-Übersicht über das Audiograph-System. Die Spalte „ERR“ zählt dabei XRuns – das sind verfehlte Audio-Deadlines, also Aussetzer während der Wiedergabe. Die Spalte „W/Q“ (Wait/Quantum-Verhältnis) zeigt die Auslastung der Audioprozessierung: Ein hoher Wert weist auf nahe Auslastung hin. Tritt also ein XRun auf, muss man Puffer vergrößern oder die CPU entlasten.
  • Zusammenfassung: Eine typische Optimierung ist also: Echtzeit-Kernel + CPU in Performance-Modus + Audio-Gruppe mit Echtzeit-Rights + JACK/PipeWire mit kleinen Puffergrößen. Trancefish empfiehlt KXStudio-Tools (Cadence) zur Konfiguration. In den Worten von Marcel: „Ohne Jack ist die Latenz kriminell langsam. Mit Cadence (= Jack unter KXStudio) läuft es aber smooth.“. Auch PipeWire bietet inzwischen alle nötigen Module, um Audio-Threads in Echtzeit zu betreiben (sofern die Limits gesetzt sind). Mit diesen Einstellungen bleiben die Puffer klein und die Latenz minimal.

Analyse-Beispiel mit PipeWire: Das Tool pw-top zeigt unter anderem die Spalte ERR (gelistet sind hier XRuns, also verfehlte Audio-Deadlines). Ein Wert >0 in ERR deutet auf Unterläufe hin. Außerdem gibt W/Q (Wait/Quantum) Auskunft über die Systemauslastung – je näher der Wert an 1.0 kommt, desto höher die Last.

Weiterführende Links: KXStudio (Carla/Cadence), Yabridge GitHub, PipeWire Docs und CLAP-DB bieten detaillierte Anleitungen und aktuelle Informationen.