ChatGPT, Gemini, Flux, Dall-E, Soundraw, Udio, KlingAI und so weiter kennen wir alle mittlerweile als KI-Tools. Diese Programme wurden darauf trainiert, tolle Texte zu schreiben oder Bilder zu generieren oder auch Musik zu machen. Natürlich fragen sich Musiker und Musikproduzenten nun, ob sie arbeitslos werden. Models fragen sich, ob man sie noch braucht, weil man ja ohne Probleme einen Prompt für ein Foto eines Models am Strand mit einem bestimmten Kleid generieren kann. Es gibt mittlerweile auch schon Werbespots, die komplett über eine KI generiert wurden. Sogar Kurzfilme sind schon dabei. Wer braucht da noch Beleuchter, Schauspieler, Regisseure und Kameraleute?
KI ist (k)eine Bedrohung
Fakt ist: KI kann mittlerweile eine Menge. Ich bin auch der festen Meinung, dass wir in 5 Jahren bei Netflix einen Prompt schreiben können und uns „unseren Film“ generieren lassen können. Davon bin ich fest überzeugt. Ich schreibe einfach einen Prompt und erhalte dann
Generiere einen Film mit Jack Nicholson als Joker, wie er gegen Joaquin Phoenix als Joker kämpft. Batman bildet eine Crew aus einem multiplen Universum: Die Batmans werden gespielt von Snoop Dogg, Will Ferrell und Michael Keaton. Das Genre: Splatterfilm
Netflix wird eine Weile vor sich hinrechnen und einen leidlich unterhaltsamen Film daraus erstellen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das sogar funktionieren könnte. Für viele Zuschauer wird das sogar ausreichen, da bin ich mir absolut sicher.
Doch ich habe ein Problem mit dem Film: Ich weiß vorher schon, um was es geht. Der Film wird mich also nicht überraschen können und daher bezweifele ich ernsthaft, dass mich dieser Film unterhalten kann. Selbst, wenn ich den Prompt nun erweitern würde und so was wie „baue einen Twist ein, wie M. Knight Shyamalan ihn bauen würde“. Ich bekäme in etwa denselben Film und wüsste vorher schon, dass irgendwas passiert, was mich angeblich überraschen würde. Tut’s aber nicht, weil ich das ja vorher schon gepromptet habe.
Die Magie von Filmen ist es doch, dass mir eine Geschichte präsentiert wird, wo ich weder weiß, welche Geschichte mich erwartet und wo ich visuelle Effekte erhalte, die mich überraschen. Dabei geht’s nicht mal um „Spezialeffekte“. Es geht um Kamerafahrten, es geht um überraschende Aktionen von Schauspielenden, die über sich hinaus wachsen oder so sehr von ihrem Type-Casting abweichen, dass man unmöglich glaubt, dass diese Person diese Rolle ausfüllen könnte.
Als Heath Ledger damals als Joker gecastet wurde, gab’s einen Aufschrei in den sozialen Medien. Ledger war damals für Komödien und Rom-Coms bekannt. Wie er dann aber abgeliefert hat, war legendär. Nicht umsonst hat er posthum den Oscar dafür bekommen.
Bei Musik ist das ähnlich. Natürlich kann man prompten:
Schreibe einen Song im Stil von Hans Zimmer gemixt mit Elementen von Linkin Park mit einem Schlagertext über Penisvergrößerung
Tatsächlich bekommt man das. Keine Frage. Aber auch hier bleibt das Überraschungselement komplett weg. Aktuell ist es ja ein Tiktok-Trend, 70er Jahre Schlager mit absolut kranken sexuellen Texten zu veröffentlichen. Klar ist das lustig, aber ist das auch erfüllend?
In der Werbung wird KI-Musik als Background sicher mehr kommen. Aber wenn ich jetzt schreibe: „Nichts ist unmöglich… Toyota“, dann habt ihr die Melodie im Kopf. Oder wenn ich das Telekom „dadada dida“ schreibe, wisst ihr auch, was ich meine. Ein sogenanntes Audio-Logo wird auch die beste KI niemals selbst erstellen können. Nie. Weil sie dafür gar nicht ausgelegt ist: KI-Systeme können nur bekanntes Material nehmen und das aufwändig remixen. Wirklich neu ist das nicht.
Wo KI wirklich hilfreich ist
Musiker beherrschen Instrumente. Einige von denen sind fantastische Gitarristen, andere sind großartig am Cello, wieder andere sind fantastische Sänger. Die meisten Musiker können auch eine DAW bedienen und ihre Werke aufzeichnen. Selbst Mixing und Mastering kann man lernen. Dennoch wird in der professionellen Musikproduktion immer wieder mit Partnern zusammen gearbeitet. Zumindest, wenn man es sich leisten kann. Ich kann meinen Song nehmen, die Stems (Teile) einzeln rendern und dann an die Abbey-Road-Studios schicken, um das von den Leuten abmischen zu lassen, die auch schon die Beatles super haben klingen lassen.
Aber habe ich das Geld dafür? Nicht unbedingt. Also kann ich den Mix aufgrund eines Referenztracks von einer KI machen lassen. Das Ergebnis wird großartig sein. Für die Vermarktung bei Spotify wird das ausreichen. Aber das Wort ausreichen ist der Begriff, wo die Alarmglocken klingeln sollten. Nichts ist spannender, als mit einem Soundengineer darüber zu sprechen, wie man einen Song noch geiler klingen lässt.
Aber – wie gesagt – für mich als semi-professionellen Produzenten reicht es völlig aus, wenn die KI mir sagt, wie ich meinen Mix verbessern kann. KI hilft mir da wirklich sehr. KI hilft mir auch, meine Arbeit oder den Song an sich besser zu strukturieren. Im Hinterkopf bleibt aber der Gedanke: „Was hätte mir ein Profi wie Vincent Lee oder Rick Beato geraten?“
Fazit
KI ist die Gegenwart und wird definitv helfen, die eigene Kunst noch zu verbessern. KI wird aber niemals so originelle Kunst machen, dass sie die Zeiten überdauert wie ein „Frühlingsgemälde“ von van Gogh oder einen Ohrwurm wie „Mambo Number 5“. Dafür fehlt KI einfach das Verständnis von Kreativität und darüber, was Menschen tatsächlich wollen. Ich würde als Kunstschaffender niemals KI als Gegner sehen, sondern als Helfer.
29. Oktober 2024 um 09:06 Uhr
Ich finde den Artikel sehr aufschlussreich und trifft genau den Nerv der Diskussion über KI in der Musikproduktion. Die Sorgen um die Zukunft der Musikproduzenten sind verständlich, aber ich glaube, dass KI eher als Werkzeug denn als Bedrohung fungiert.
Kreativität ist etwas Einzigartiges, das tief in unseren Emotionen und Erfahrungen verwurzelt ist. Es stimmt, dass KI tolle Ergebnisse liefern kann, wenn es darum geht, Musik zu erzeugen oder zu remixen, aber sie wird nie die unvorhersehbaren, menschlichen Elemente einfangen können, die einen echten Hit ausmachen. Nehmen wir zum Beispiel die Emotionen, die in einem Song stecken, oder die Geschichten, die Musiker durch ihre Musik erzählen – das sind Dinge, die KI einfach nicht nachahmen kann.
Ich sehe die Verwendung von KI als Möglichkeit, um die eigene Kreativität zu fördern, anstatt sie zu ersetzen. Wenn ich ein Projekt beginne, kann mir KI helfen, Ideen zu entwickeln oder technische Herausforderungen zu meistern. Aber am Ende wird es immer der Mensch sein, der die Seele in die Musik bringt.
Ich bin gespannt, wie sich diese Technologien weiterentwickeln, aber ich bin optimistisch, dass sie die Musikindustrie bereichern können, ohne die menschliche Kreativität zu verdrängen.