Aufruf an alle VST-Entwickler: Die Zeit für LINUX ist jetzt!

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Windows ist noch immer der Quasi-Standard, aber warum eigentlich?

Wenn man von Tonstudios redet, kommt man an zwei Betriebssystemen nicht vorbei. Das eine Betriebssystem ist auf den meisten PCs und Laptops vorinstalliert, man kriegt die Hardware für wenige Euros in jedem Lebensmitteldiscounter und der Name des Betriebssystems steht als Synonym für PC: Windows. Das andere stammt aus dem Hause Apple, ist an vergleichsweise teure Hardware gebunden und basiert auf einem unixoiden Kernel. In der Regel wählen Producer zum Einstieg den Windows-PC und professionalisieren sich irgendwann und gehen auf den Mac. Der Grund dafür ist relativ simpel: Mac ist stabil und schreibt dir keine Updates vor, während du gerade dein 64-Spur-Audio renderst.

Windows ist, hauptsächlich aufgrund der Verbreitung, der Quasistandard in jedem kleineren Studio und sowieso bei den meisten Bedroom-Producern. Aber sind wir mal ehrlich: Ist Windows überhaupt zeitgemäß im Studio?

Ich habe über viele Jahre Linux im Tonstudio genutzt, musste jetzt aber im Zuge meiner Professionalisierung als Musiker wieder auf Windows wechseln. Nicht, weil es meine DAW für Linux nicht geben würde, sondern weil ich Plugins nutze, die selbst mit Wine einfach nicht unter Linux funktionieren. Dieser Text ist ein Aufruf an Native Instruments, an Orchestraltools, an Musio und all die anderen großartigen Entwicklerbuden, die Plugins für Mac und Windows machen, Linux aber vernachlässigen

Stabilität ist kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung

Das Internet ist Linux. Das ist keine hohle Floskel, sondern eine Tatsache. Auf 8 von 10 Servern läuft Linux. Das hat mehrere Gründe, aber der wichtigste Grund ist die Stabilität. Linux stürzt normalerweise nicht ab. Also es stürzt im direkten Vergleich zu Windows wirklich nie ab. Das heißt nicht, dass Linux zu 100% zuverlässig läuft, aber der Grund, warum die meisten hochverfügbaren Services auf Linux setzen, ist die absolute Stabilität, die ein Linux bietet. Dazu kommen noch folgende Punkte:

  • ASIO, DirectSound, WASAPI: Um niedrige Latenzen in Windows zu erreichen, müssen spezielle Treiber installiert werden. Um Realtime-Performance zu haben, führt kein Weg an ASIO vorbei. Falls die Soundkarte keine eigenen ASIO-Treiber hat, muss man über ASIO4ALL oder FreeASIO benutzen, um wenigstens im Ansatz Latenzen unter 10ms hinzubekommen. Linux hat Pipewire und Jack direkt an Bord. In Kombination mit einem Realtime-Kernel läuft jedes Standard-USB-Audiointerface garantiert stabiler und schneller, als es das unter Windows täte.
  • Updates nur, wenn ich es will. Linux schlägt dir vor, dass du vielleicht mal Updates machen könntest. Es würde diese Updates aber niemals ohne dein Einverständnis machen. Heißt: Deine Studiosession wird nicht von einem ungefragten Neustart unterbrochen. Niemals.
  • Sicherheit und Softwarequellen: Die meisten Linuxuser beziehen ihre Software aus den offiziellen Paketquellen der jeweiligen Distribution. Updates können von den Programmherstellern so wesentlich zentraler und besser gepflegt werden, weil die Software des Linux-User immer in Gänze aktualisiert wird. Falls es sich nicht um eine Bleeding-Edge-Rolling-Release Arch-Distribution handelt, ist die Software von tausenden von Usern bereits auf Herz und Nieren geprüft worden und läuft stabil.

My Studio, My Rules – Privatsphäre und Kontrolle

Windows telefoniert ständig nach Hause und überträgt Telemetriedaten. Das kostet wertvolle CPU-Taktzyklen und RAM und so weiter. Jedes Byte, dass an Microsoft und seine Partner übertragen wird, geht für Performance drauf, die man viel besser für einen geilen Delay-Sound oder granulare Synthese nutzen könnte. Ein Studio-PC ist ein isoliertes Werkzeug und keine Werbeplattform. Wenn ich Musik mache, brauche ich weder Candy Crush, noch Onedrive. Ich brauche auch kein System, dass permanent Ressourcen verschwendet, um Screenshots für eine KI im Hintergrund zu machen.

Power für Mucke

Wenn der PC ausschließlich das macht, wofür ich ihn konfiguriert habe, dann kriegt meine DAW und die Subprozesse (Plugins) genau die Leistung, die sie gerade brauchen. Ich kann Dienste anhand von Forenpostings so konfigurieren, dass eine DAW selbst auf einem 10 Jahre alten Laptop mit der gleichen Performance läuft, wie auf einem nagelneuen Windows-Rechner. Zumindest annähernd. Ich bin nicht mehr gezwungen, mir ständig neue Hardware zu kaufen, weil mein Betriebssystem meint, meinen kostbaren RAM mit eigener Telemetrie zuzukleistern. Plugins hätten sämtliche Ressourcen.

TPM und Legacy

Ein Hauptgrund heute ist auch, dass in vielen Studios Windows 10 noch genutzt wird, weil der Rechenknecht keinen TPM-Chip hat und, obwohl der PC erst 5 Jahre alt ist, wegen Windows 11 ausgetauscht werden muss. Wir alle wissen, wie groß der Aufwand ist, alle VSTs, alle Kopierschutzmechanismen und so weiter neu zu installieren. Trotz allem sind Studio-Besitzer nicht unbedingt geile IT-ler. Der Rechner muss einfach laufen und alles neu zu installieren, das stellt Studioheads vor unnötige Herausforderungen. Außerdem müssen wir uns nichts vormachen: Microsoft will unbedingt in die Cloud. Spätestens bei Windows 12 wird das für Studios echt eine Herausforderung werden.

VST-SDK, Clap und Juce-Framework

Steinberg hat, vermutlich auch ein wenig wegen CLAP, das VST-SDK endlich unter eine vernünftige Lizenz gesetzt, damit Software auf möglichst breiter Basis genutzt werden kann. Das VST-SDK läuft per se nun sauber auf Linux, Mac und Windows. Der CLAP-Standard, der ja in Zusammenarbeit mit kleineren Studios wie U-He oder Bitwig realisiert wurde, läuft super auf allen 3 Oberflächen und das JUCE-Framework ist auch Cross-Plattform-mässig nutzbar. Im Grunde ist die Basis also eigentlich schon vorhanden.

Kooperation statt Portierung

Selbst Linus Torvalds ist bewusst, dass die Anzahl der vielen Distributionen und die Möglichkeit, DEB, RPM oder AUR-Pakete zu installieren für jedes Entwicklerstudio eine große Herausforderung darstellt. Und mir selbst ist auch klar, dass die Gewinnmargen bei Plugins abhängig davon sind, für wie viele Betriebssysteme ich mein Plugin nun herausbringen will. Deshalb schlage ich euch, liebe VST-Entwickler, etwas vor: Nehmt euch die großen Studiodistributionen vor und arbeitet mit den Leuten zusammen: Sprecht mit den Leuten von AVLinux, Fedora Jam, Ubuntu Studio und arbeitet Konzepte aus, wie man Plugins distributionsübergreifend am besten unter die Leute bringt. Unabhängig davon, ob man ein Plugin nun über „apt“, „yay“ oder „yum“ installiert, landen die Dateien eh immer in denselben Ordnern. Plugins liegen unter /usr/lib/vst oder im Heimverzeichnis des Users. Es müsste also ein leichtes sein, eine Software zu generieren, die genau das – distributionsübergreifend – irgendwie machbar macht.

Reference Platform

Wenn Audioexperten mit OS-Experten zusammenarbeiten, könnte das schnellste und stabilste Audio-OS der Geschichte entstehen. Bitwig, Renoise und REAPER haben es vorgemacht. Die User sind bereit zu wechseln: Sie wollem Musik machen und warten nur noch auf ihre Lieblingstools. Ihr könnt Pioniere sein, ihr müsst euch nur mit der Linux-Audio-Community zusammensetzen und dann werden die Entwickler euch helfen. Die haben da Bock drauf. Es gibt Projekte, wie „yabridge“, „ardour“ oder „Carla“, die ganz klar zeigen, dass es geht. Diese Leute verstehen ihren Job. Und die helfen euch, ohne dass ihr da viel Geld für in die Hand nehmen müsst.

Startet den Dialog mit der Linux-Audio-Community. Und das beste ist: Ihr müsst nicht einmal Opensource machen. Steam macht das vor.

Englische Version

Fediverse-Reaktionen

2 Antworten zu „Aufruf an alle VST-Entwickler: Die Zeit für LINUX ist jetzt!“

  1. Avatar von Tekknovator

    @Marcel ah, noch eine Sache. Du hast Presonus Studio One vergessen. Das gibt es mitlerweile auch nativ auf Linux.
    Siehe Systemvoraussetzungen unten auf der Seite:
    https://de.presonus.com/products/studio-one-pro

    1. Avatar von Marcel

      Hab ich tatsächlich vergessen. War mir zum „Ausprobieren“ aber auch zu teuer.

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