VST-Plugins unter Linux benutzen

Author:

Einer der erfolgreichsten Beiträge hier befasste sich damit, wie man Linux als Betriebssystem im Musikstudio benutzen kann. Und – wir müssen fair sein – ohne Plugins ist auch die geilste DAW der Welt nur ein Programm, mit dem man Noten speichern kann.

Linux ist ein unfassbar stabiles Betriebssystem. Selbst, wenn etwas abstürzt, läuft der Rest normalerweise so weiter. Einen richtigen Crash sieht man unter Linux eigentlich eher selten. Außerdem ist Linux wahnsinnig performant, verbraucht wenig Ressourcen und da man nicht unbedingt einen Virenscanner benötigt, kann man den ganzen verfügbaren RAM und die gesamte CPU-Leistung für wichtige Dinge nutzen. Netflixen, während man Musik macht, zum Beispiel. Oder halt nur Musik machen und nicht alles mögliche Freezen müssen, weil die CPU mit anderen Dingen beschäftigt ist.

Linux ist prädestiniert für das Studio. Das wissen die Apple-Jünger schon seit Ewigkeiten, deshalb laufen die meisten DAWs unter Mac OS auch so gut. BSD ist zwar kein Linux, aber MacOS basiert nun mal auf BSD, was wiederum auch auf Unix basiert, was Linux eben auch tut. Worauf ich hinaus will: VSTs laufen saugut auf nem Mac und sollten das auch unter Linux tun, wenn nativ vorhanden und trotzdem gibt’s die meisten VST für Windows.

VST unter Linux?

Grundsätzlich gibt es ein paar sehr, sehr, sehr gute VST unter Linux. Allen voran natürlich Vital, den verdammt nochmal besten Wavetable-Synthesizer der Welt. Vital klingt fantastisch, hat unendlich viele Möglichkeiten und kostet nur Peanuts. Oder nix, wenn du halt nichts willst. Sowieso gibt’s nen ganzen Berg voller VST-Plugins, die einfach nur gut sind. Decentsampler ist zum Beispiel ein genialer Sampler, der auch nicht viel schlechter als Kontakt von Native Instruments ist. Oder Sitala, eine 808-Drummachine. Alles geile Plugins. Alle fantastisch und alle kostenlos.

Aber natürlich gibt es die meisten Plugins eben nicht für Linux, sondern für Windows. Und um diese Plugins unter Linux zum Laufen zu bekommen, muss man als Linuxer ein wenig arbeiten. Aber das sind wir ja gewohnt.

Ich nutze hauptsächlich Ubuntu. Nicht, weil die die Distribution am besten oder am schnellsten finde, sondern schlicht und einfach, weil sie von allen Linuxdistributionen am meisten so dokumentiert ist, dass jeder versteht, was die Macher sich dabei gedacht haben. Du kannst natürlich Arch, SuSE oder sonst was benutzen, aber die meisten Tutorials richten sich an die Leute aus der Debian/Ubuntu-Fraktion. Als Musiker kann ich von dir also nicht verlangen, selbst Programme zu kompilieren oder dich mit CONF-Dateien zu befassen.

Wine

Wine ist dein Freund. Installiere die Version von Wine, die bei deiner Distribution dabei ist, da gibt’s die wenigsten Probleme. Immerhin emulieren wir ein Windows unter einem Linux, auch wenn Wine natürlich was anderes behauptet.

Carla

Carla von KXStudio ist ein Plugin-Host und gleichzeitig ein Plugin. Du kannst also Carla unter deiner Linux-Anwendung als Plugin starten und in Carla zum Beispiel beliebige Windows-Plugins laden. Tatsächlich ist das extrem komfortabel und funktioniert einfach gut.

Airwave

Airwave „simuliert“ deiner Linux-DAW auch ein Linux-VST vor. Dein VST-Plugin installierst du unter Wine beispielsweise über

wine setup.exe

Anschließend befindet sich dein Programm in

.wine/drive_c/Programme

und du kannst über Airwave die DLL hinzufügen. Wine verpackt die DLL-Datei in einen eigenen Wrapper und du kannst als Zielordner ~./.vst angeben, um dein Plugin deiner DAW zur Verfügung zu stellen. Das läuft ziemlich stabil und auch Plugins wie zum Beispiel Serum von Xfer funktionieren sehr gut in Airwave.

9 thoughts on “VST-Plugins unter Linux benutzen”

  1. Moin Marcel,
    sehr schöne Seite hier. Ich bereite mich gerade darauf vor frühzeitig, meine alte PC Mühle von Windows in ein neues Leben zu überführen, weil die für Win 11 definitiv nicht bereit sein wird. Andererseits funktioniert der Rechner für das Schneiden von Podcasts oder kleinen Hörspielen mit max 8 Spuren noch sehr gut.
    Ich arbeite mit dem Reaper-Mod Ultraschall, dessen Macher wohl für Version 6 auch eine Linux-Variante in Planung haben. Was mir allerdings nach wie vor fehlen wird, sind ein paar Plugins, die Reaper als Bordmittel so nicht hat. Oder nicht in der Qualität, z.B. den besten freien Kompressor ever, TDR Kotelnikov, den du auch irgendwo anders hier erwähnt hast. Aber auch das Convology XT Faltungshall Plugin, mit dem man fantastisch Räume emulieren kann.
    Wie gesagt, ich taste mich gerade erst auf Linux Terrain vor und will mir vorher möglichst viel anlesen. Allerdings verstehe nicht ganz, wie das abläuft, was Du da oben beschrieben hast: Läuft dann WINE bei dir immer nebenher und du flanschst in deiner Linux DAW Carla-Horst an, die wiederum auf die die Windows Plugins zugreift? Würde mich über eine kurze Erläuterung freuen.

    1. Lieber Christian,
      ich danke dir 🙂

      Der Workflow mit Reaper, Carla und Kotelnikov ist in etwa so: Du ziehst dir Carla bei kxstudio (https://kx.studio/Applications:Carla) herunter und installierst das deb-Package (falls du Ubuntu oder Mint oder irgendwas hast, was auf Debian basiert.). Falls du Arch benutzt, kannst du Carla auch über das AUR installieren. Normalerweise werden die benötigten Ressourcen (WINE) dann mit installiert. Du musst auch die Bridges installieren. In den Settings von Carla musst du einstellen, dass Carla auch Windows VST unterstützen soll.

      Anschließend kannst du deine VSTs über Wine installieren. Wie oben schon beschrieben, reicht normalerweise „wine setup.exe“ oder so ähnlich im Terminal schon aus. Im Standard werden die auf c:\programme\steinberg\vst plugins installiert. Das Wine-Äquivalent ist dein Home-Ordner, darunter ist ein .wine-Ordner, in dem dann die Windows-Verzeichnisstruktur „nachgebaut“ ist. Der Ordner ist im Standard unsichtbar.

      Du startest also REAPER, als native Linux-Version und kannst dann über das FX-Panel Carla als VST einbinden. Theoretisch sollte Reaper das Plugin direkt finden. In Carla selbst kannst du dann das Windows-VST laden. Ab dann verhält sich alles so, wie du es von Windows aus kennst.

      Es gibt ein paar kleinere Hürden: Du musst dich in JACK einlesen. Selbst, wenn du über Wine die Windows-Version von REAPER startest, geht das ganze Gedöns mit VST tatsächlich sogar einfacher, aber dann musst du dich trotzdem mit JACK befassen, um ASIO-Performance zu bekommen.

      Tatsächlich ist das eine Menge Fummelei, aber das ist es bei Linux ja irgendwie immer. Man gewöhnt sich dran 😉

  2. Erst Mal herzlichen Dank für die Ausführungen. Und ja, das mit der Fummelei hab ich mir schon gedacht. Ich hab jetzt einfach ne fast neue SSD auf ebay kleinanzeigen geschossen, die groß genug ist, damit ich ein Dual Boot aufsetzen kann. Da kommt dann halt doch nochmal eine kleine Win10 Installation drauf für den Fall der Fälle. Und bis deren Support dann in zwei Jahren ausläuft, hab ich den Übergang hoffentlich einigermaßen hinbekommen und das Fummeln fühlt sich eher an wie ne Fingerübung. Außerdem tut sich in der Linux Community ab und zu was in Richtung Usability. Oder es kommt halt mal jemand um die Ecke, der einen gleich guten Kotelnikov für Linux bastelt…

    1. Nicht aufgeben 😉

      Spaß beiseite. Mit Carla oder auch Tools wie Airwave geht es nach ein wenig Ausprobieren tatsächlich relativ gut. Ein ganz anderes Problem sind die Installer mit DRM oder halt iLok. Den Kram von Native Instruments habe ich nie zum Laufen bekommen. Auch mit der Spitfire-Library habe ich massive Probleme. Ich fahre deshalb auch zweigleisig. Windows 11 war bei dem PC eh dabei und zum Entwickeln nutze ich Linux. Aber auf meinem Hauptlaptop, wo ich auch Musik-Ideen reinscribble läuft ein Arch. Klar habe ich da keine Windows-VST drauf, aber für die Ideenfindung brauche ich das auch nicht. Ist ein kleines, süßes Toshiba und als Midi-Controller hängt ein Akai mit 25 Tasten dran.

  3. Hallo Marcel,
    vielen Dank für diesen tollen Blog-Post für DAW unter Linux.
    Und vielen Dank für die vielen Hinweise von Linux-fähigen Plugins. Ich stöbere auch schon in deinen anderen Posts, gerne mehr davon!

    Ich kämpfe auch schon seit Jahren mit Musikproduktion unter Linux. Ich erinnere mich, dass Steinberg vor Jahren angekündigt hat den VST-Standard auch für Linux offiziell zu machen. Aber da waren wohl andere Interessen am Ende stärker..
    Umso bitterer, dass zum Beispiel ein tolles Projekt wie Sitala, das du ja erwähnst, exakt 1 Jahr nach deinem Post nun eine Version 2 veröffentlicht, mit dem sie den Linux-Support droppen… *seufz* 🙁

    Umso wichtiger, dass du hier die Fahne für die Linux-User hochhälst! Ich weige mich den Glauben zu verlieren, dass sich ein freies Betriebssystem irgendwann doch durchsetzt!

    Weiter so und Grüße,
    Fabian

    1. Moinsen Fabian,

      das mit dem Drop für Linux von Sitala ist mir neu. Ich hatte jetzt in der FAQ von Sitala gelesen, warum sie den Support für Linux einstampfen und leider ist das ein – gerade für Linux – plausibler Grund. Tausende von Distributionen und noch viel mehr Möglichkeiten, Linuxsoftware auszuliefern, macht es Entwicklern nicht gerade leicht, für jede Distribution das passende Paket bereit zu stellen. Ich mein, sogar Linus Torvalds sagt, dass das mit den ganzen Paketmanagern echt ein Problem ist. https://www.youtube.com/watch?v=Pzl1B7nB9Kc

      VST3 unterstützt offiziell Linux. Mein Problem mit dem ganzen Linux-VST-Kram ist mittlerweile auch gar nicht mehr, die Plugins an sich unter Linux zum Laufen zu kriegen. Dank Carla/Airwave/LinVST und so weiter geht das mittlerweile recht gut. Und ja, CLAP ist ja auch noch da und gerade für Linuxer wahnsinnig spannend. Viel ätzender sind die eigenen Installer, die von den Native-Instruments, den WAVES und den anderen kommerziellen Anbietern mitgegeben wurden. Ich hab’s bis heute nicht geschafft, die wirklich guten Spitfire Plugins adäquat zum Laufen zu bekommen. Kontakt 7 kriege ich auch nicht vernünftig gestartet. Das Plugin selbst irgendwie schon, aber die Installer und so manches Plugin mit iLOK-Anbindung macht mir einen Strich durch die Rechnung.

      Und so gut Decent Sampler und VITAL auch sind, die geilsten Soundbanks/Samples gibt’s leider für andere Produkte.

      Da ist noch viel zu tun, aber ich hoffe wirklich, dass auch bei den VST-Entwicklern mehr in Richtung Linux passiert.

      1. Da stimme ich dir komplett zu. Das wirtschaftliche Probleme ist natürlich akut, obwohl ich denke, dass z.B. ein seriöser Ubuntu-only-Support vielen in der Linux-Community ausreichen würde. Machen ja Softwareschmieden in anderen Zweigen mittlerweile auch erfolgreich so, aber Musikproduktion ist darüberhinaus natürlich auch ein „eher kleiner“ Zweig.

        Hoffen wir, dass sich das Henne-Ei-Problem, dass die Unternehmen nichts anbieten, da es zu wenige Linux-Nutzer gibt, aber die Nutzerzahl und damit die Nachfrage nicht steigt, wenn es auch eben kein Angebot gibt, irgendwann löst. Ich denke dein präsentierter Ansatz könnte da echt ein wichtiger Grundstein für ist. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert