Musikproduktion mit Linux und warum ich trotzdem leider Windows benutze

Veröffentlicht am 2025-11-14 10:46:46


Das hier ist ja mittlerweile eine der Top-Anlaufstellen im Internet für „Musikproduktion mit Linux“ und „VST-Plugins in Linux benutzen“ und ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass es so ist. Ich muss euch allerdings etwas beichten. Seit ungefähr 3 Wochen bin ich mit meinem Studiosetup wieder auf Windows gewechselt. Ich hasse eigentlich alles daran, aber leider habe ich momentan Anforderungen an mein Setup, die Linux nicht erfüllen kann. Dieser Post ist eine Abrechnung mit Native Instruments, Musio, Orchestraltools, Steinberg, xFer, Ableton und iLok.

Status DAWs unter Linux

Unter Linux gibt es drei absolut professionelle DAWs: Reaper, Bitwig und Ardour. Dank Pipewire und Jack haben wir unter Linux Latenzen, von denen so mancher ASIO-Treiber in Windows nur träumen kann. Wenn man also Bitwig, Reaper, Ardour oder auch LMMS oder Renoise nutzen möchte und Live einspielen möchte, geht das nahezu ohne Performance-Verluste. Das ist traumhaft. Klar ist auch, wenn man von Ableton kommt, ist der Umstieg auf Bitwig super. Es ist sogar so, dass die neuste Ableton-Version sehr gut unter Wine läuft (und mit WineASIO sogar ziemlich performant)

Wir halten fest: Wenn du nicht gerade Cubase nutzen willst, steht dir eine große Welt von sehr guten DAWs zur Verfügung und wenn dir knackige Latenzen beim Recording wichtig sind, ist Pipewire auf dem selben Level wie ASIO, teilweise sogar noch besser.

Status VSTs unter Linux

Eine DAW alleine macht noch keine Musik. Man benötigt professionelle Sounds. Bei Reaper gibt’s nen guten Sampler (Samplomatic), aber sonst nicht viel dazu. Bei Bitwig ist eine riesige Sammlung von Sounds dabei, Ardour und LMMS haben nichts. Aber das ist unter Windows im Grunde dasselbe. Manche DAWs haben Sounds dabei, manche halt nicht.

Du brauchst also Soundplugins. Dann gucken wir doch mal, welche Plugins am häufigsten in aktuellen Musikproduktionen genutzt werden. Da ich Filmscoring und Dance mache, beschränke ich mich mal auf diese Genres. Außerdem gucken wir mal, für welches OS diese Plugins überhaupt existieren.

Pluginname Windows Linux Beschreibung
Momentum Ja Nein Fantastischer Sampler
OTT Ja Nein Multiband-Compressor, unverzichtbar im Bereich elektronische Musikproduktion
Serum Ja Nein Der Standard-Synthesizer in so ziemlich jeder Dance-Produktion der letzten Jahre
Omnisphere Ja Nein Ein sehr mächtiger Synthesizer mit sehr vielen Presets
Decentsampler Ja Ja Vermutlich der beste kostenlose Sampler, den man sich herunterladen kann. Hat einen eigenen Store drin, es gibt auf Pianobook.co.uk noch zig andere Presets
sfizz Ja Ja Soundfontplayer. Soundfonts gibt's überall verteilt zum Download.
u-he DIVA Ja Ja Analoger Supersynthesizer. Bei U-HE erwähne ich lobend, dass sehr viele von deren Plugins meistens sogar nativ unter Linux laufen. Es ist also möglich.
Fabfilter Ja Nein Die Fabfilter-Serie ist in fast jeder Musikproduktion drin. Mastering klappt damit super. Die Filter sind gold wert. Obwohl sogar das CLAP-Format unterstützt wird, das von Anfang an auch in Linux vorhanden war, gibt's keine nativen Linux-Clap-Plugins von Fabfilter
Musio / Cinesamples Ja Nein Musio ist ein Mietplugin für hunderte von professionellen Sounds. Wer professionelle klassische Musik erstellen will, kommt an diesem Plugin nicht vorbei. Es lässt sich unter Linux zwar problemlos mit Wine installieren, aber beim Download der Samples tauchen immer wieder Fehler auf und man hat keinen Sound. Besonders ärgerlich: Der Fehler tritt erst auf, wenn man die zig Gigabyte an Sampledaten schon heruntergeladen hat.
Orchestraltools Sine Player Ja Ja* Der SINE-Player lässt sich problemlos installieren. Mit ein paar Hacks in der Wine-Config ist der Player sogar als Standalone (manchmal) benutztbar. Als Plugin funktionieren die Browser-Komponenten aber null. Man kann also weder Sounds herunterladen, noch in das aktuelle Arrangement schieben.
Native Instruments* Ja Nein Native Instruments hat den Kontakt-Sampler und wahnsinnig viele andere Packages in deren Free-Production-Suite. Für den Kontakt-player gibt es sehr viele, sehr gute kostenlose Samples. Es lässt sich mit Wine nur sehr, sehr schwer installieren und läuft dann auch nicht richtig.
Vital ja ja Umfangreicher Synthesizer mit tausenden von Möglichkeiten. Vergleichbar mit SERUM2 von Xferrecords

Ich könnte hier viele weitere, sehr gute Linux-VSTs aufführen und auch Windows-VST, die tatsächlich über Wine und Yabrigde perfekt laufen. Das Problem ist nur, sobald ich das gemacht habe, ist diese Wine-VST-Liste schon wieder veraltet.

Eigene Launcher

Firmen wie Native Instruments oder auch Spitfire Audio packen eigene Launcher/Instrument-Downloader/Shops in ihre Plugins rein. Diese Dinger nutzen intensiv Komponenten aus der Windows-Welt, insbesondere den Browser als eingebundenes Objekt oder irgendwelche Download-Funktionen, die Wine vielleicht _so_ noch gar nicht direkt unterstützt. Abgesehen davon sind diese Downloader oder Services auch ein probates Mittel gegen Raubkopien. Eigentlich so ein bisschen wie ein Root-Kit, aber eben nur mit besten Absichten. Sobald so ein Launcher bei deinem Linux/Wine-VST zum Einsatz kommen soll, kannst du fast davon ausgehen, dass das Plugin Probleme machen wird.

Katze beisst sich in den Schwanz

Wie für Linuxthemen mittlerweile ja leider üblich, haben wir hier ein Problem, dass nicht lösbar ist. Ich denke, ich spreche für jede Producerin/Producer auf der Welt, wenn ich sage: Hey! Linux ist viel stabiler. Ich bin im flow, ich speichere nicht sehr häufig. Ein System, das stabil genug ist, tausende User gleichzeitig zu bedienen und deshalb Marktführer im Serverbereich ist, kann doch für Single-User nicht schlecht sein!

Linux ist das stabilste, das du dir auf deinen PC installieren kannst. Ein Linux komplett zu killen, ist schon fast immer ein Hardware-Fehler. Es gibt nichts besseres. Und jetzt das Hauptproblem:

Ich kann kein Linux im Studio benutzen, weil es keine Plugins in dieser hohen Qualität gibt vs. Wir stellen keine Linuxplugins her, weil eh keiner Linux benutzt.

Fazit

Ich schreibe schwere, komplexe Orchesterstücke. Ich brauche realistische Sounds und die kriege ich nun mal leider nur von Orchester-Plugin-Anbietern. Für mich kommen Soundfonts leider nicht in Frage, weil die einfach nicht gut klingen und – falls doch – unfassbar viel Arbeit in die Effektkette gesteckt werden muss. Ich will aber einfach nur Musik machen. Das ist, weil sich diese Hersteller dagegen wehren, aber nicht möglich. VST3 und Clap sind offene Standards, es müsste also ein leichtes für diese Firmen sein, Linux-VSTs anzubieten. Die sehen aber keinen Markt dafür. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viel mehr Leute auf Linux umsteigen würden, wenn es mehr Plugins gäbe. Immerhin sind Linux und Mac sich sogar vergleichsweise ähnlich.

Wir als Musiker müssen lauter werden. Wir müssen den Firmen allesamt mitteilen, dass wir total gerne unsere Produktionen auf stabilen, nicht mit AI verseuchten Maschinen erstellen würden. Auf PCs, die dank diverser Tutorials mehr auf Musikproduktion zugeschnitten sind, als es Mac oder Windows je könnte.

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