AI macht uns unglücklich

Die Leute schreiben ihre Texte mit AI. Sie generieren ihre Codes mit AI. Sie fragen AI, wie man Kuchenrezepte macht. Sie nutzen AI, um Musik zu machen. Sie nutzen AI, um Bilder und Videos zu erstellen. AI ist da, man wird sie nicht wieder los.

Das ist Fakt.

Aber im Gegensatz zur Tech-Bubble oder den Marketing-Hanseln auf LinkedIn finden die meisten Leute AI gar nicht so gut, zumindest dann nicht, wenn es AI ist, die nur Selbstzweck ist. So verrückt es klingt, die Leute möchten keine Konversation mit ihrem Computer führen, sie wollen ihn benutzen, um daran zu arbeiten.

Für mich und die meisten meiner Generation ist der Computer ein Werkzeug. Ich bin so gut in der IT geworden, weil ich mit diesem Werkzeug perfekt umgehen kann. Ich hatte in der Schule bereits ein Talent dafür. Als ich den Computer dann zum Musik machen benutzte, war ich auch so ziemlich einer der ersten, die das hier gemacht haben. Bis dahin kannten die Leute den Computer nicht als Musikinstrument. Es ist noch gar nicht so lange her, da sprach man grundsätzlich von Computermusik, wenn jemand Sequencersoftware genutzt wird.

Mein Lieblingszitat zum Thema "Musik aus dem Computer" stammt von Björk:

It's so amazing when people tell me that … electronic music has not got soul. And they blame the computers. They got the finger pointed at the computers like, "There's no soul here." … You can't blame the computer. If there's not soul in the music, it's because nobody put it there. And it's not the tool's fault.

Ich und alle, die DAWs benutzt haben, um sich künstlerisch zu artikulieren, haben unsere Seele in die Musik eingespielt. Der Computer ist das Werkzeug, die Seele in der Musik kommt von mir.

Malende, Musizierende und Schreibende sowie Synchronsprechende wirken auf den ersten Blick so, als hätten sie einfach nur Angst um ihre Jobs. Da ist sicher auch was wahres dran, denn natürlich sind Auftraggebende geizig und prompten sich lieber irgend etwas zusammen, anstatt zig Stunden für Kunst zu bezahlen. Es geht aber nicht um Jobs. Es geht um die Entwertung von Kunst.

Die meisten Künstler sind froh, wenn sie irgendwann den Schritt erreichen, von ihrer Kunst leben zu können. Doch es ist eher die Regel, dass jemand viele, viele Jahre damit verschwendet, sich künstlerisch zu festigen. Niemand nimmt ein Keyboard und ist automatisch Mozart, niemand nimmt einen Fotoapparat und ist automatisch Helmut Newton. Das sind jahrelange Prozesse, um so gut zu werden. Wenn Helmut Newton sich heute vor irgendeine Person stellt und den Auslöser drückt, dann sind das nicht 20 ms "Foto machen", es sind Jahrzehnte der Erfahrung. Es sind tausende Fehlschläge. Es ist die Fähigkeit, in einem Raum zu sehen, wann das Licht perfekt auf das Model fällt.

Außerdem halte ich die Verwendung von AI in der Kunst für einen Vertragsbruch. Der Autor, die Autorin hat Wochen und Monate damit verbracht, mir eine Geschichte zu präsentieren. Ich verwende dann Tage und Wochen, um diese Kunst zu lesen und Emotionen zu fühlen. Wisst ihr, warum Gold so wertvoll ist? Nun ja, es ist nicht wertvoll, weil es so schön glänzt. Es hat diverse physikalische Vorteile. Es ist leicht zu verarbeiten, es ist unempfindlich, es ist eben auch wahnsinnig selten

Ein Gemälde von Van Gogh oder eine Fotografie von Annie Leibovitz oder ein Musikstück von John Williams sind selten. Wenn ich auf Knopfdruck ein Portrait generieren kann, ist es nichts besonderes mehr. Wenn plötzlich jeder Musik machen könnte, gibt es keine Gänsehautmomente mehr.

Endlich kann ich Filme produzieren! Auch wenn ich kein Talent habe. Endlich kann ich Musik machen. Ich habe so tolle Ideen, die ich endlich umsetzen kann!

Die AI-Jünger definieren den Herzblutprozess, den Kunst erfordert, als Arbeit. Arbeit ist was schlechtes und muss weg. Deshalb sollen AI-Agenten normale Jobs machen, damit es keine "stupiden" Jobs mehr gibt. Ist euch eigentlich klar, dass es Leute gibt, die diese Jobs glücklich machen? Ein durchschnittlicher Programmierer freut sich darüber, wenn er ein einfaches Plugin programmiert, das hinterher auch funktioniert. Warum sollte ich noch Klavier spielen lernen, wenn die KI das doch kann? Weil ich zum Beispiel unfassbare Freude empfinde, wenn ich "Alle meine Entchen" das erste Mal ohne Fehler durchgespielt habe.

Kunst macht uns zu dem, was wir sind. Ein Synchronsprechender liest nicht einfach nur Sätze vor, die Sätze beinhalten Emotionen. Ein Bild entsteht nicht ohne Grund. Jemand fand die Landschaft schön. Jemand wollte die Emotionen auf die Leinwand bringen. Ein Song kann dich zum Weinen bringen.