Die Generation nach mir ist mit dem Internet aufgewachsen. Für sie war es immer da – allgegenwärtig auf PCs, Smartphones, Blu-ray-Playern, Kühlschränken und sogar Armbanduhren. Wer heute telefonieren will, muss keine Kinder mehr aus dem Internet schmeißen, weil das Modem die Telefonleitung blockiert. Damals sah das anders aus.
Als ich mit Computern anfing, war von LAN-Partys keine Rede. Es gab nicht einmal LAN – zumindest nicht außerhalb von Firmen. Mein erster Computer war ein VC20, und der konnte Spiele nur sehr begrenzt. Das änderte sich mit dem C64, aber „ernsthaft“ online war da niemand. Mein erster PC, ein 486er DX2/66, kam, als ich 14 war. Damit spielte ich das erste Mal Multiplayer. Davor hatte ich den Amiga und den C64. Auf dem C64 musste man Spiele noch mit BASIC-Befehlen starten:
LOAD "$",8 – das Verzeichnis anzeigen.
LOAD "PROGRAMMNAME",8,8 – das Spiel starten.
Der zweite Parameter war ein boolescher Operator – man konnte da theoretisch hinschreiben, was man wollte.
Mit dem Amiga wurde alles einfacher: Diskette rein, warten, spielen. Doch das war erst der Anfang der Herausforderungen.
Von LAN-Partys und Hardware-Jumpern
Wer damals einen PC mit einer neuen Sound- oder LAN-Karte ausrüsten wollte, musste sich auskennen. Einfach einbauen und loslegen? Fehlanzeige. Wir mussten Treiber manuell installieren, DMA- und IRQ-Settings kennen und teilweise Hardware-Jumper stecken, um Konflikte zu vermeiden. Diese Werte schrieben wir uns auf, um sie später im Setup einzutragen. Im schlimmsten Fall bearbeiteten wir sogar Konfigurationsdateien wie die AUTOEXEC.BAT
und CONFIG.SYS
, um genügend Arbeitsspeicher freizuräumen.
Dann kam die Netzwerkoptimierung: Speicher mit „MEMMAKER“ anpassen, Netzwerknamen vergeben, Endwiderstände setzen – und das alles, um überhaupt eine LAN-Verbindung für Spiele aufzubauen. Für uns 14-Jährige war das Normalität.
Wissen, das blieb
Als ich später eine Ausbildung zum Informatiker machte, stellte ich fest, dass ich die Grundlagen bereits beherrschte. Begriffe wie das OSI-Schichtenmodell oder Topologien wie Ring- und Sternnetzwerke lernte ich in der Theorie kennen, aber praktisch hatte ich all das schon durch.
Meine Generation wuchs mit einem tiefen Verständnis für Computer auf, das oft unsere Lehrer übertraf. Wir wussten, warum der PC bestimmte Dinge nicht machte und wie wir ihn dazu brachten. Das Internet war für uns nur die nächste Stufe – ein größeres LAN. Dabei eigneten wir uns nebenbei Wissen über IP-Adressen, Subnetze und HTML an.
Die Plug-and-Play-Generation
Die Generation meiner Kinder kennt diese Hürden nicht. Sie sind die Generation „Plug and Play“. Heute funktioniert fast jedes Gerät auf Anhieb – ob Bluetooth-Controller, Headsets oder Smart-Home-Geräte. Zu meiner Zeit, unter Windows 98 oder sogar XP, war das anders.
Doch genau dieser Komfort hat seinen Preis: Die nachfolgenden Generationen sind oft überfordert, wenn es um Treiber, Softwareinstallation oder alternative Betriebssysteme wie Linux geht. Wer mit MS-DOS groß geworden ist, kann selbst auf einem Terminal ohne grafische Oberfläche noch etwas bewirken. Dieses technische Grundverständnis fehlt heute oft.
Die Konsequenzen der Vereinfachung
In der IT-Branche zeigt sich der Wandel deutlich. Früher mussten wir beim Webdesign für verschiedene Browser komplett unterschiedliche Ansätze nutzen – der Internet Explorer 5 konnte <DIV>
, Netscape arbeitete noch mit <LAYER>
. Das bedeutete doppelte Arbeit und jede Menge Browsererkennung.
Heute bauen viele junge Entwickler auf Frameworks. Selbst einfache Aufgaben wie das Verstecken eines Containers werden mit umfangreichen JavaScript-Bibliotheken gelöst. Das „Hacken“ am PC, also das kreative Lösen von Problemen, geht verloren.
Projekte wie das Steam Deck oder WINE/PROTON entstanden nur, weil Gamer ihre Windows-Spiele unter anderen Betriebssystemen spielen wollten. Heutzutage hört man oft: „Das geht nicht.“ Und das war’s. Früher ließen wir uns von solchen Einschränkungen nicht aufhalten.
Das mangelnde Verständnis für die Technik ist gefährlich. Früher war es normal, eine XML-Datei manuell in CSV umzuwandeln. Heute sucht man nach einem Tool, das das erledigt – und verliert dabei den Überblick über den Dateiaufbau.
17. Januar 2025 um 11:11 Uhr
Ich bin 77 Jahre alt.
Ja, genauso war es! Als ich mal in einem Werbeblatt schrieb, nach dem 80 486 er PC würde der 80 586er kommen, wurde ich von einem Programmierer regelrecht abgestraft, es würde nichts schnelleres mehr geben. Naja …
Ein halbes Jahr später allerdind war der noch schnellere PC auf dem Markt. Er nannte sich zwar nicht 80 586, aber Pentium.
Der Programmierer hatte sich bei mir entschuldigt …
17. Januar 2025 um 12:58 Uhr
Da ist schon was dran. Wie du weißt, wurde ich in der DDR „gezüchtet“, und so hatte ich während der Schulzeit bestenfalls mal mit dem KC87 zu tun: https://de.wikipedia.org/wiki/Robotron_Z_9001,_Robotron_KC_85/1,_Robotron_KC_87
Nach der Wende habe ich, wie du auch weißt, mit elektronischer Musik angefangen. Wir hatten damals einen Amiga 1200. Wer weiß, wo mein Kumpel den damals her hatte oder was er dafür bezahlt hatte: https://de.wikipedia.org/wiki/Amiga_1200
Aber ich war halt zu der Zeit Nutzer der Technik. Mich ging das Alles nichts an, woher die Technik ihr Wissen bezog. Als ich mich dann 2002 – 2005 aus gesundheitlichen Gründen beruflich neu erfinden musste, war das Alles – also der Fachinformatiker – nicht einfach für mich. Aber jetzt will ich quasi nix anderes mehr machen.
Wenn ich da diverse junge Menschen – Ich betone ausdrücklich, dass es bei weitem nicht alle sind – beobachte, wie sie völlig hilflos dastehen, wenn der Funkkopfhörer mal die Verbindung zum Gerät verliert und deshalb kein Ton aus dem Ding kommt, denke ich mir: Ich hätte zumindest mal versucht, Fehlersuche zu machen. Und ich glaube, dazu sind viele nicht mehr fähig.
17. Januar 2025 um 14:29 Uhr
KC87 und Amiga 1200 haben wir natürlich im Oldenburger Computer Museum, daher kenne ich beide Geräte. Ansonsten stimme ich dir uneingeschränkt zu, das mit dem „Herausfinden, WARUM etwas nicht mehr funktioniert“ ist irgendwie wohl kein Thema mehr.