Das Problem mit der Musik

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Musiker sein. Immer auf der Bühne stehen. Fans haben. Das machen, worauf man wirklich Bock hat und dabei auch noch stinkreich werden.

Das ist der Traum, den jeder Musiker hat und vielleicht jeder 10000ste Musiker auch tatsächlich durchleben kann. Mit der Musik Geld verdienen beschränkt sich bei den meisten Musikern auf Gigs auf Stadtfesten oder selbstorganisierten Konzerten, bei denen letztendlich nur Freunde vorbeikommen und man vielleicht für den Abend das Bierchen spendiert kriegt. Nicht zuletzt könnte man ja auch bei diversen Streaming-Diensten Geld verdienen, denn im Gegensatz zur CD-Produktion, ist das Hochladen bei Spotify, Deezer und Co. kostenlos machbar und relativ einfach.

Die Realität ist aber eben anders: Selbst die selbstorganisierten Konzerte oder Stadtfest-Gigs machen zwar Spaß, aber man verdient fast nichts. Der Stress steht in keinem Verhältnis zu dem Ertrag, den man hat. Und dabei rede ich nicht mal vom monetären Ertrag. Der Spaß ist auch eher gering, denn die Leute sind nicht deinetwegen hier, sie sind einfach da.

Abseits der Live-Auftritte ist der kreative Teil von Musikproduktion auch eher abschreckend. Tausende angefangener Projekte müllen deine Festplatten voll und kein einziger Track ist so geil, dass du ihn fertig machen willst. Immer wieder spricht man davon, dass man „die zündende Idee“ noch benötigt.

Du bist nicht gut genug!

Außerdem redet einem ständig einer ein, dass man nicht gut genug ist. „Das ultimative Sample-Paket für epische Drums“ sagt dir, dass deine Drums scheisse sind. Der „super geile Halleffekt“ sagt, dass dein Halleffekt Grütze ist und drölf Millionen Youtube-Accounts zeigen dir, dass du eigentlich schon immer falsch produziert hast. Wenn du nicht das affig teure Samplerplugin von Native-Instruments verwendest, wirst du niemals ein professioneller Musikproduzent sein. Wenn deine Sounds nicht mit Waves gemastered sind, klingen sie grundsätzlich beschissen und da du noch immer nicht Cubase benutzt, sondern Reaper, kann dich eh keiner ernst nehmen.

Stay Creative

Als Musiker wirst du ständig kritisiert. Du kannst die beste Melodie der Welt komponiert haben, wenn du das Stück in einem Forum vorstellst, wird die Kritik immer mindestens einen beinhalten, der sagt, dass das Klavier nicht natürlich klingt oder dass der Bass noch durch OTT gechained werden muss. Egal, was du tust, es ist nie einfach nur gute Musik. Und ohne das wichtige PDF, das dir Musikmarketing erklärt, bist du eh weg vom Fenster.

Erstellen und weinen

Sechzehn Takte. Du hast an diesen sechzehn Takten über Stunden gefeilt. Sie klingen episch. Sie haben ein paar wunderbare Akkordreihen. Die Melodie geht direkt ins Blut. Es klingt einfach wunderschön, du bist total happy, weil du etwas erschaffen hast, was so unfassbar gut ist, dass du selbst immer wieder denkst: „Das habe ICH geschafft?! Krass!“

Dann spielst du diese 16 Takte ab und stellst fest, dass es halt auch nur 16 Sekunden dauert. Ein Song sollte aber ja mindestens 2:30 gehen. Was machst du also mit den 104 Sekunden, die noch fehlen? Du beginnst, zu weinen.

Kreative Berufe verlangen einiges von dir ab. Egal ob Musiker, Maler oder Bildhauer: Kunst ist extrem zeitfressend. Okay – ja, nicht immer. Aber oft dauert es halt ewig. Manchmal küsst einen die Muse, dann geht’s superschnell. Hoffentlich. Leider nicht immer.

Was für Menschen sind Musiker?

Musik entsteht aus Emotionen heraus. Klar entsteht Musik durchaus auch aus rein finanziellen Absichten, aber die Acts, die über einen langen Zeitraum erfolgreich waren oder Acts, die ein ganzes Genre prägten, sind meistens Künstler, die eine echte Botschaft haben. Musik ist ein Ventil. Musik ist die Art, sich auszudrücken. Musik ist die Poesie. Nirvana, die Beatles, Ozzie Osborne und später auch Billie Eilish oder Miley Cyrus sind Künstler und Künstlerinnen, die ihre Gefühle in der Musik verarbeiten. Eine Studie hat ergeben, dass Musiker wesentlich offener für Depressionen oder Stress sind. Angst- und Depressionssymptome bei norwegischen Musikern im Vergleich zur allgemeinen Erwerbsbevölkerung

Es ist eine Tatsache, dass Musiker permanent unsicher sind. Ist der Song wirklich gut? Ist die Botschaft verständlich? Mag mich das Publikum? Wie ist meine Show?

Schriftsteller neigen auch zum Alkoholismus, Models sind anfällig für Drogen. Musiker sind Schriftsteller, die im Rampenlicht stehen. Insofern ist jede Kritik an einem Album eines Musikers ein direkter Schlag in die Fresse. Und wenn das Album gut ist, kann der Musiker immer noch in die Fresse bekommen, weil der Auftritt schlecht läuft. Musiker müssen Entertainer, Models und Autoren sein. Ganz nebenbei schadet es nicht, mindestens singen zu können oder ein Instrument zu beherrschen. Musik ist eigentlich ein ziemlich beschissenes Hobby und während ich diese Zeilen niederschreibe, wundert mich gar nicht mehr, warum ich nicht mehr alle Latten am Zaun habe. Einige mögliche Faktoren, die zu Depressionen bei Musikern beitragen können, sind unter anderem finanzielle Sorgen, hoher Leistungsdruck, mangelnde Anerkennung, Einsamkeit und der ständige Umgang mit negativen Emotionen in der Musik. Immerhin haben Musiker ja Lust auf Musik. Das ist schon viel wert.

Der Algorithmus ist nicht dein Freund

Wie funktioniert das mit der Musik heute? Nun ja: Du lädst Musik hoch. Bei Spotify oder Soundcloud. Oder Youtube. Oder Deezer. Alles kein Problem? Nein, technisch ist die Veröffentlichung von Musik heute ein Kinderspiel. Vor 15 Jahren musste man noch Dubplates pressen lassen oder Kleinstserien veröffentlichen. Heute reicht der Upload bei Portalen wie Amuse oder eine Pro-Mitgliedschaft bei diversen Diensten und dann landet deine Musik auf allen gängigen Portalen.

Aber wie sieht das Feedback aus? Ja, es gibt Likes. Es gibt Kommentare. Aber auch nur, wenn du bereits eine Art Fanbase hast. Es gibt Trilliarden guter Songs auf Soundcloud, die nie einer hört, weil der Komponist keine Freunde hat, die Reichweite haben. Er oder sie selbst hat auch keine Reichweite. Das heißt, der nächste Tophit der Welt liegt ungehört irgendwo auf Bandcamp oder Soundcloud herum. Der Algorithmus bringt so etwas nur dann auf die Titelseite, wenn es viral geht. Das passiert aber nur, wenn jemand anderes mit Reichweite das Teil zufälligerweise hört. Aber eigentlich wird dein neuer Song immer nur mit vorherigem Content verglichen. Diese Meldungen, dass Song XYZ von vor nem Monat 15000 Aufrufe mehr hatte, als dein aktueller Song ist absichtlich so gestaltet worden, damit du dich schlecht fühlst. Als wenn das nicht so schon schlimm genug wäre, kommen dann natürlich auch die Dislikes, die du sehen kannst.

Geld

Es gibt immer wieder die Meldung, dass man mit Streaming nichts verdient. Und so abwegig ist das gar nicht. Klar, braucht man heute kein Label mehr für die Produktion der Datenträger (CDs, Vinyle), aber das Marketing macht noch immer das Label. Und dafür behalten die den Großteil des Geldes ein. Ein drittel der Einnahmen landet bei Spotify. Gut, die stellen auch die Infrastruktur. Aber die GEMA kassiert auch, was man begründen kann, weil die GEMA theoretisch dafür sorgt, dass du dein Geld bekommst, wenn das Ding im Radio/TV läuft. In der Regel wird nach Klicks bezahlt, nicht nach Hördauer. Wenn du also ein klassisches Musikstück spielst, das 5-10 Minuten geht, bekommst du weniger Geld, als ein 2:30 TikTok-Hit. Noch was, was Musiker belastet.

Dennoch macht Musik unfassbar viel Spaß. Wie das geht, könnt ihr zum Beispiel auf meinem Youtube-Kanal sehen.

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One thought on “Das Problem mit der Musik”

  1. Was für ein großartiger Artikel, Marcel! Mir geht das ja auch so, dass meine Musik so gut wie niemanden erreicht, weil ich halt nicht wirklich eine Fanbase habe. Dennoch mache ich weiter. Dennoch versuche ich, Lieder so gut wie möglich zu machen. Deshalb ärgert es mich auch, wenn A nicht funktioniert hatte oder B nicht den gewünschten Effekt hatte.

    Ich habe richtig Schlagzeug spielen gelernt, habe mir das Keyboard spielen selbst beigebracht und Gesangsunterricht genommen. In der jüngeren Vergangenheit habe ich mich mit Musiktheorie und all dem Kram beschäftigt, um meine Musik ein bisschen besser zu machen. Das ist mein Anspruch. Und wenn ich tüfteln kann, macht das unfassbar viel Spaß.

    Gleichwohl weiß ich auch, dass ich nie ein Pavarotti war oder sein werde und dass ich auch sonst mit Musik niemals Geld verdienen würde. So ist das eben mit Hobbies. Dennoch macht man ja irgendwie weiter.

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