Elon und seine Superapp

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Ich war eine Zeit lang sehr gerne auf Twitter unterwegs. Ich hatte eine relativ große Bubble von Leuten, denen ich mit Freude gefolgt bin und bei denen ich immer wieder auch aktiv auf die Profile gegangen bin, um zu gucken, was die denn so schreiben. Als Twitter dann „Spaces“ ausgerollt hat, habe ich einigen davon sehr gerne zugehört, bei anderen Spaces habe ich sogar mitgesprochen. Meistens in der Zeit, in der ich mit meinem Hund unterwegs war.

Twitter war für mich die aktuellste Nachrichtenquelle, weil der Algorithmus auf politische Events relativ gut reagiert hat. Twitter war ein unendlicher Quell von doofen, lustigen Sprüchen und nicht zuletzt habe ich auf Twitter Menschen getroffen, die ich dann auch im echten Leben treffen durfte und heute als Freunde bezeichne.

Dann kam ein egozentrischer Milliardär und hat einfach alles kaputt gemacht. Das muss man erst einmal sacken lassen oder, wie man auf englisch sagt, „let that sink in“

Elon Musk hat Twitter unfreiwillig gekauft. Eigentlich hatte er nämlich sogar irgendwie vor, den Laden nicht zu kaufen. *

Er musste aber. Und er hat dann unvorstellbare 44 Milliarden Euro für einen Kurznachrichtendienst auf den Tisch gelegt, dessen einziges Geschäftsmodell es war, zwischen so genannten Tweets die eine oder andere Werbeanzeige zu posten. Ansonsten machte Twitter viel für Open Source, zum Beispiel das beliebte Bootstrap-Framework für Webseiten.

Gewinn hat Twitter nie gemacht, aber tatsächlich war Twitter so mächtig, dass darüber Demonstrationen organisiert wurden.

Mit Kopfschmerzen erinnere ich mich daran, dass Donald Trump Twitter genutzt hat, um Politik zu machen. Außerdem hat er irgendwann mal covfefe getweetet. Ich bin übrigens sicher, dass das ein Teil der nuklearen Abschusscodes ist. Trump wurde wegen Hetze aus Twitter rausgeschmissen. Das war schon ziemlich geschichtsträchtig.

Und es war vor Elon Musk.

Wie gesagt, Elon kam irgendwann und kaufte Twitter. Anschließend feuerte er 3/4 der Belegschaft. Und von denen insbesondere das Team, das dafür zuständig ist, dass man bei Twitter nicht gemobbed oder systematisch fertig gemacht wird. Oder sexuell belästigt. Oder so.

Anschließend hatte Elon die geniale Idee, die Email-Adresse des Twitter-Presseservice so einzustellen, dass als Antwort auf jede Email ein 💩 kam. Also auch auf Anfragen wie: „Was tut Twitter gegen Antisemitismus“ oder „Ist es in Ordnung, dass AccountXYZ das N-Wort benutzt und damit droht, alle Schwarzen zu versklaven?“. Es kam immer der Kackhaufen.

Jetzt scheint das Pressebüro wieder besetzt zu sein und offensichtlich hat Twitter einen neuen Namen.

X

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Xander Cage? Nein X! X X!

Twitter heißt jetzt X, sonst ändert sich nix. Und ja, es ist das peinlichste Rebranding aller Zeiten. Denn außer dem potthässlichen X, welches das Logo darstellen soll, steht überall noch „Twitter“. Du registrierst dich nicht bei X, sondern bei Twitter. Die URL ist Twitter. Die App ist auch Twitter. Alles ist Twitter.

Was noch? Musk schwebt vor, dass Twi.. – äh – X eine Superapp wird, mit der man eben Microbloggen kann, aber auch mit einem AI-Assistenten quatschen und sogar bezahlen kann. Im Grunde genommen soll X eine Kopie von weChat werden. weChat ist eine chinesische App, die dort tatsächlich für alles genutzt wird, sogar als Personalausweis. Wechat ersetzt in China auch Whatsapp und man kann direkt darüber shoppen und eben auch direkt bezahlen.

Für Musk ist das natürlich super. Im Westen wird Wechat fast gar nicht genutzt, weil China natürlich als Datenkrake verschrien ist und weil wir solche Sachen hier mit Paypal und Co. handlen können. Moment, Paypal? Ja, Elon Musk hat damals Paypal mit begründet, aber schon seit 2002 verkauft. Nun will er mit X quasi Paypal irgendwie angreifen, so wie’s aussieht.

Schade

Ganz im Ernst: Ich mochte twitter. Es war nicht so spießig wie Facebook und die Möglichkeit, nur gefolgte Accounts in der Zeitleiste zu haben, war wunderschön. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Der Algorithmus von Twitter spielte mir zuletzt nur noch Rechtsextreme, Antisemiten und Mysogyne in die Timeline. War absolut gruselig. Ich hab meinen Account dann gelöscht, kurz nochmal aktiviert und nun aber endgültig gelöscht. Auf Threads habe ich einen Account, ansonsten bin ich natürlich bei Mastodon.

Foto von Jr Korpa auf Unsplash

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